27. September 2020
Die Stärke eines individualpädagogischen Projektes ist es, auf unterschiedliche Klienten eingehen zu können und den Tagesablauf entsprechend anzupassen.
Auch wenn das naturnahe Leben oft Anpassungen fordert (z.B. bei Lämmchen, die nachts zur Welt kommen, Heuernte in den Abendstunden etc) gibt es klare Absprachen, und der Ablauf wird nicht „mittendrin“ verändert. Verbindlich ist die Version in unserem Haus – der Tagesablauf im Web ist als Anhaltspunkt, wie die Tätigkeiten gewichtet sind, gedacht.
Bewertung des Tagesplanes
Hintergrund des Tagesplanes ist es ganz klar, Jugendlichen eine Chance zu geben, Ihren eigenen Wert zu erfahren – bensbesonders wichtig, wenn im Netzwerk Schwierigkeiten bestehen, die besonderen Vorraussetzungen zu akzeptieren. Auf der einen Seite steht das positive Erleben: Die Jugendlichen leisten – oft auch im Vergleich zu ihren Bezugspersonen – etwas, was man ohne Einarbeitung nicht aus dem Stand erreichen kann.
Auf der anderes Seite stehen die Anforderungen der Schul- und Arbeitswelt. Auch Menschen, die die Werkstätten für Behinderte im Gartenbereich arbeiten, sind aufgrund von Ausbildung, Training und Arbeitsmethoden meist ohne Schwierigkeiten in der Lage, in Ihrer Arbeitszeit mehr zu erreichen als ein Hobbygärtner in seinem Garten.
Ein erstes Ziel ist es, mit diesem Tagesablauf kontinuierlich und ohne Schwierigkeitenverlagerung in andere Lebensbereiche 20 Wochenstunden Arbeitstraining zu erreichen- hinzu kommt natürlich die Zeit, die wir für die persönliche Reorganisation und Training der „Alltagsfähigkeiten“ aufwenden. Wird er sehr gut durchgehalten entspricht er etwa 30 Std. die Woche. Dieser Freiraum ist gewollt und für eine begrenzte Zeit notwendig und natürlich können die Anforderungen am Standort erweitert werden.
Ein normaler Schüler der 8 und 9 Klasse besucht in der Regel ca. 32 – 35 Schulstunden die Schule und muss in etwa 10 Std. in der Woche für die Nacharbeitung aufwenden (alleine 30 – 50% aller Schüler erhalten zusätzlich Nachhilfe). Hinzu kommen Wegezeiten etc.. Es wird deutlich, dass unser Tagesprogramm – trotz des „späten“ Tagesabschlusses – sehr deutlich unter diesen Anforderungen liegt. Macht ein Schüler ein Praktikum arbeitet er in der Regel „normal“, das heisst ca. 38,5 Wochenstunden – was auch die Regelanforderung in geschützten Ausbildungen und Ausbildungen in Werkstätten für behinderte Menschen darstellt.
Mit diesem Tagesablauf kann auch bei einer Ausbildung zum Pferdepfleger die Ausbildungszeit nur 1/2 Zeit gerechnet werden. Ziel ist daher eine Steigerung der Ausdauer. Für die Bewertung fertigen wir laufend Berichte an – und auch der Jugendliche soll seinen Tag selbst reflektieren.
Daher ist es zur Entwicklung einer Perspektive unabdingbar, den Tagesablauf und die Anforderungen realistisch zu betrachten und in der Rückführungsplanung auf die real gemachten Arbeitsbeobachtungen zurückzugreifen. Auch externe Praktika, die meistens in der Ausschreibungsphase durchgeführt werden, objektivieren das Bild.
Tagesstruktur
bis 8.00 |
Aufwachen und Aufstehen |
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Die Jugendlichen stellen sich selbst den Wecker zu einer Zeit, die sie brauchen, um pünktlich und gut ausgerüstet zum Arbeitsbeginn auf dem Hof zu sein. Zeit für die erste Tasse Tee oder Kaffee, und wer will einen kleinen Happen.
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8.00 – 8.45 |
Morgenrunde |
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Unsere Tiere werden versorgt. Ziel ist, dass die Jugendlichen in dieser Zeit lernen, feste Routinen einzuhalten und beweisen, dass sie in der Lage sind, andere Lebewesen gut zu versorgen. Nach Einarbeitung übernehmen sie immer mehr Tätigkeiten selbst.
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8.45 – 9.30 |
Morgenpause und Frühstück |
9.30 – 12.30 |
Zeit für Projekte |
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Je nach Wochentag werden nun die anstehenden Aufgaben erledigt (siehe Wochenplan und Jahresplan). Ab 12 Uhr wird gekocht.
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12.30 – 14.00 |
Mittagessen und Mittagspause |
14.00 – 16.00 |
Projektphase II |
16.00 – 17.30 |
Lernphase / Vorbereitung |
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Intellektuelle Nachbereitung und Beschäftigung mit den Aufgaben des Tages (Tagesbericht) und Möglichkeit kleine Lernprojekte (z.B. Sprachenlernen am PC) umzusetzen. Alternativ: Arbeit mit dem Schulmaterial z.B. der Flex-Fernschule oder Mutpol. Wir besprechen die Aufgaben in dieser Zeit und auch das Ergebnis. Wir bereiten in dieser Zeit aber die Aufgaben für den nächsten Tag vor.
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ca. 17.30 |
Abendessen |
19 – 21.00 |
Medienzeit, Nutzungsmöglichkeit von Fernseher und 1/2 Std. Internet wenn pädagogisch angezeigt |
ab 22 Uhr |
Nachtruhe nach Duschen, Zähne putzen etc
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Unsere Wochenstruktur
Unsere Woche ist geprägt von den jahreszeitlichen Anforderungen und organisatorischen Gegebenheiten. Grob gliedert Sie sich so:
Mo, Di, Mi |
Projekttage |
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Neben den täglichen Routinen (Tiere versorgen, Pferde trainieren) wird an den Aufgaben im Jahresplan gearbeitet. |
Do |
Hoftag |
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Wir bringen den Hof und die Geräte auf Vordermann. Reinigen Tröge, Outdoorausrustung, mähen Rasen, putzen Traktor und Autos etc. |
Fr |
Haushaltstag |
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Wir verarbeiten Lebensmittel, kochen vor, planen die Einkäufe und arbeiten in der Hauswirtschaft. |
Sa, So |
Wochenende! |
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Wir unternehmen eine gemeinsame Aktivität, und kleinere Freizeitprojekte können umgesetzt werden (Bemalen von Anhängern, Angeln gehen etc). Bis Sonntag Abend ist a) die eigene Wäsche sauber b) das eigene Zimmer und das „Putzgebiet“ gereinigt. An einem Tag kann bis 11.00 Uhr ausgeschlafen werden. Mind. 1 Mahlzeit des Wochenendes wird so eigenständig wie möglich zubereitet. |
Dieser Wochenrythmus wird je nach pädagogischem Bedarf durch längere erlebnispädagogische Einsätze (Trekkingtouren, Wanderritte, Rad- oder Kanutouren) unterbrochen, die uns besonders bei Widerstand gegen formalisiertes Lernen die Chance geben, den Bildungsstand zu fördern.
Die Jugendlichen können sich vielfältig beteiligen: – Bei den Arbeitsprojekten beziehen wir Sie bewusst in die Planung mit ein, so dass sie auch intellektuell gefördert werden. – Beim Einkaufen können Jugendliche eigene Vorstellungen einbringen. – Die Jugendlichen erhalten oft einen Rahmen (z.B. zu erledigende Aufgaben) und können eigene Arbeitsweisen selbst ausprobieren.
In Äppelkullen leben wir ein „Leben mit der Natur“, was bedeutet, dass die unterschiedlichen Anforderungen im Jahreslauf einen sich selbst erklärenden Sinnzusammenhang ergeben.
Feb./März
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Spätwinter
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Es ist weiterhin kalt, aber die Sonne kommt zurück
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Neben der Versorgung des Hofes, die im Winter mehr Kraft verlangt als im Sommer (Heizen, Tiere), prägen folgende Ereignisse diese Zeit:
- Unsere Schafe bekommen Lämmer und brauchen intensive Pflege
- Wir sind im Wald und holen Stämme, die wir in den Folgemonaten zu Brennholz verarbeiten.
- Wir beginnen mit der Anzucht von Pflanzen für den Garten
- Unsere Pferde, unser Haus, die Stallungen erhalten einen „Frühjahrsputz“, der Stall wird gekalkt etc.
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April / Mai
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Frühling
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Der Frühling ist kurz und sehr intensiv: Täglich ändert sich das Bild
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Jetzt ist eine hoch aktive Zeit auf dem Hof. Das Leben erwacht wieder:
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- Wir kümmern uns um Zäune und Weiden
- Wir verarbeiten die Stämme zu Brennholz
- Wir kümmern uns um das Gelände (bauen z.B. Steinmauern, schneiden Hecken etc)
- Im Garten werden Jungpflanzen ausgepflanzt und gesät.
- Wir düngen die Weiden, reinigen die Vorratsräume etc.
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Juni / Juli / August
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Sommer
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Es ist warm und überall grün, die Seen laden zum Baden ein.
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Im Sommer sind unsere Tiere auf den Weiden und brauchen hier täglich Pflege. Anfang/Mitte Juli ernten wir Heu – und bereiten die kleinteiligen Maschinen auf diese Aufgabe vor. Es ist fast ununterbrochen hell, und die Natur bietet viele Möglichkeiten – von Kanutouren über Angeln bis hin zum abendlichen Grillen. Im Garten muss im Wesentlichen regelmässig gegossen werden, und kleine Mengen Gemüse, Kräuter und Salate wandern frisch auf den Tisch. Die kurze Strecke zum nächsten Badesee läd zu vielen Ausflugen ein und manchmal schwimmen wir mit den Pferden. Bei Aktivitäten draussen sammeln wir jetzt Informationen, die wir im Winter in kleine Lernprojekte einfließen lassen. |
Sept./Okt./Nov.
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Herbst
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Oft erinnert der Herbst an den trockenen Altweibersommer und verwöhnt uns mit vielen Sonnenstunden
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Der Herbst steht im Zeichen der Ernte und der Wintervorbreitung:
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- Jetzt kommen die grossen Mengen aus dem Garten, die eingelegt und eingekocht werden.
- Wir sammeln Äpfel und machen daraus Apfelsaft – mit unserer eigenen Ausrustung.
- Die Ställe werden winterfest gemacht, und zum Ende der Weidesaison verarbeiten wir das Fleisch unserer Nutztiere.
- Typischerweise gehen wir in dieser Zeit Bauprojekte, die unseren Hof verbessern, an.
- Mit den Pferden trainieren wir nun oft und intensiv.
- Generell wir überall „aufgeräumt“ – für das letzte Brennholz ist jetzt höchste Eisenbahn, und das Holz wird unter Dach gestellt, damit es nicht einregnet.
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Dez- Jan
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Winter
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Im Dezember herrschen noch angenehme Temperaturen – im Januar ist dann die kälteste Zeit des Jahres
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Im Winter geht es bei uns eher gemütlich zu – was aber auch kein Wunder ist, da man sich nach Tätigkeiten draussen oft aufwärmen muss.
- Jetzt ist die Zeit, in der ein stärkerer Fokus auf theoretisches Lernen gelegt wird.
- Die Zeit passt auch für Heimaturlaube und Kontakte mit dem Netzwerk.
- Wir führen viele Besorgungen aus
- In der Werkstatt setzen wir kleine Bastelprojekte um.
- Aber auch Aktionen wie Wintercamping, Langlauftouren oder Schlittschuhfahren auf zugefrorenen Seen sorgen dafür, uns in Bewegung zu halten.
- Im Januar machen wir oft kurze Reisen, die unser Weltbild erweitern.
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20. September 2020
Auf dem Hof Äppelkullen wurde die Erwerbslandwirtschaft nach mehreren Jahrhunderten in den 60er Jahren aufgegeben. Der Hof besteht aus einem in mehreren Etappen gebauten echten Blockhaus, in dem insgesamt 5 Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer und eine richtige Küche zur Verfügung stehen.
An Nebengebäuden haben wir ein in klassischer, kenntnisreicher Holzbauweise erstelltes Stallgebäude (ca. 200m2), in dem der Laufstall für unsere Pferde sowie Futter- und Sattelkammer eingerichtet sind. Im zweigeschossigen ehemaligen Getreidemagazin (140m2) haben wir eine Werkstatt, eingebaut. Wir haben ein gutes Sortiment an Holzbearbeitungsmaschinen. Im Obergeschoss gibt es Aktionsfläche auch bei schlechtem Wetter.
Rund um den Hof gehören uns ca 3ha, auf denen wir Gemüse anbauen, Flächen für Hofarbeiten haben und die Pferde weiden. In der Nachbarschaft nutzen wir verschiedene kleine angepachtete Flächen und gewinnen unser Brennholz z.B. bei Pflegemaßnahmen von Weiden.
Wir sind uber Glasfaser ans Internet angebunden und können deutsche Fernsehprogramme über Astra empfangen (z.B. Schulfernsehen). Der Zugang zu Medien ist in der Regel zeitlich begrenzt.
14. September 2020
Sich mit einem Tier vertraut zu machen, sie zu versorgen und die Produkte von ihnen zu geniessen ist ein wesentlicher Teil unseres Alltages.
Unsere Pferde
Meine Pferde wohnen in einem großzügigen Offenstall. Sommers wie Winters haben sie ständigen Zugang ins Freie und können sich bewegen. Schutz suchen sie fast nur, wenn die Sonne scheint – gegen Kälte und Schnee hilft Bewegen.
Unsere Mischung aus Kalt- und Warmblutpferden sind nicht auf sportliche Höchstleistungen gezüchtet, sondern vielseitig. Wir reiten und fahren Kutsche mit den meisten Pferden und kriegen gelegentlich Nachwuchs.
Die Tiere bewegen sich trittsicher durch Wald und Flur, wurden bisher nur wenig in der Reitbahn geritten. Alle Tiere sind als Jugendpferde roh zu uns gekommen.
Schafe
Geburten begleiten und Tieren beim wachen zusehen: Das sind ganz besondere Erlebnisse. Unsere kleine Schafherde mit Muttertieren, die jedes Jahr junge bekommen, dient der Landschaftspflege und Lebensmittelversorgung.
8. September 2020
Wir haben einen kleinen Gartenbaubereich, dessen ca. 80m2 grosses Gewächshaus auch Einblicke in den Gartenbau ermöglicht. In diesem ziehen wir mit (semi)professionellen Methoden Gemüse (spezielle Tomatensorten, Kräuter, Paprika, Auberginen), dass wir zu Sossenprodukten, die sich wie Tomatenmark verwenden lassen, verarbeiten. Ein Hausgarten versorgt uns darüberhinaus mit frischem Blattgemüse und Salaten. Dabei versuchen wir besonders alte Kultursorten zu pflegen.
Wir leben ein aktives Landleben. Wir möchten, dass man sieht, was man tut. Vom Feld auf den Tisch. Auch das Fleisch unserer Tiere verarbeiten wir.
Wir haben keine Angestellten, die putzen und den Haushalt versorgen – das tun alle, die hier wohnen, gemeinsam. Die Jugendlichen waschen ihre Wäsche selbst, räumen ihr Zimmer auf, helfen beim Kochen und der Pflege der im Alltag benutzten Dinge. Klar helfen wir, wenn Fragen auftreten.
Bei der Essenszubereitung benutzen wir so wenig Fertigprodukte wie möglich. Wir mahlen Getreide zu Mehl. Wir backen Brot und machen Gemüse für den Winter ein.
An einigen Tagen übernehmen die KlientInnen das Kommando in der Küche. Sie können zeigen, was sie gelernt haben, und ihr Wunschessen kochen. (Puh, selbstgemachte Hamburger schmecken ja viel besser! Aber Arbeit macht das schon… :-))